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Julian Hans von der Süddeutschen: Waffenstillstand in Syrien eine hinterhältige Finte des Kremls

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 Es ist die Zeit der Kreml-Astrologen: Keiner weiss genaues, dafür wird aber heftigst spekuliert. Dass dabei stets herauskommt, den Herren in Moskau sei nicht zu trauen und ihr grosses Ziel sei es, den Westen zu schwächen und in einer grossen Revision der Ergebnisse des zweiten Weltkrieges und des Zusammenbruchs der Sowjetunion die USA über den Atlantik zurückzudrängen und ein von Russland beherrschtes Eurasien zu schaffen, also ein Herrschaftsgebiet von Wladiwostock am Pazifik bis nach Portugal am Atlantik. Ein Netzwerk von atlantischen Journalisten lässt kein auch noch so ungeeignetes Ereignis ungenutzt, die Angst der Menschen vor einem angeblich aggressiven und die Freiheit und Unabhängigkeit des westlichen Europas bedrohenden Iwan in Angst und Schrecken zu versetzen.

 Ein herausragender Vertreter dieser Spezies von Journalisten ist seit Jahren der Moskauer Korrespondent und ehemalige Redakteur des Zentralorgans der Atlantiker „Die Zeit“, Julian Hans. Der hatte sich unlängst  Gedanken über die wahren Motive Russlands gemacht für die Verhandlungen mit den USA zu einem Waffenstillstandsabkommen in Syrien. Und wie das so ist, wenn ein Ausgleich mit Russland, in Verhandlungen erreicht wird, egal bei welchen Konflikten auch immer, der Russe hat falsch gespielt und will den gutmütigen Westen in Wirklichkeit lediglich übervorteilen. So vermutet, nein besser, ist Hans sich sicher, dass auch bei den Verhandlungen um einen Waffenstillstand in Syrien Russland ein verdecktes unlauteres Spiel spielt.
„Über die offiziell von Moskau verkündeten Ziele könnte man sich vielleicht einigen, zuallererst auf die Bekämpfung der IS-Terroristen“,
ist sich Hans sicher. Nur leider sind da noch andere, eher unehrenhafte Motive des Kremls:
„Aber da ist noch etwas anderes, was bei allen Gesprächen unausgesprochen mitverhandelt wird,“
und das ist immer das Gleiche:
„egal, ob es um die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zur Beilegung des Ukraine-Krieges geht oder um die Trennung von Terroristen und gemäßigten Rebellen in Syrien. Verhandelt wird immer auch Russlands Stellung in der Welt.“
Dieses Ziel vor Augen ist der russischen Führung kein Preis zu hoch. Natürlich zu zahlen von den Menschen in den Konfliktregionen. Das sei, so sieht es Hans, in Syrien
„Der Preis der Ruinen“
wie er seinen Artikel überschreibt. Und Hans kennt die Beweggründee des Kremlherrn ganz genau:
„Wladimir Putin sieht die Waffenhilfe für das Regime von Syriens Diktator Assad nur als Mittel zur Durchsetzung seiner geopolitischen Interessen.“
 Hans weiss natürlich, dass das eine überaus schlichte Sicht der Dinge ist, die der wirklichen Lage in Syrien nur sehr eingeschränkt und aus einem ganz bestimmten Blickwinkel gerecht wird. Der hat zwar mit der Wirklichkeit so rein gar nichts gemein, passt aber sehr schön in das schlichte Weltbild, das uns der Mainstream seit Jahren vorgaukelt, von dem nur der Menschenrechte und der Freiheit verpflichtetem Westen und dem bösen, letztendlich die Weltherrschaft und die Knechtung der Völker anstrebenden Russland.

 Da passt kein Blatt Papier zwischen die beiden Julians - den Julian (Reichelt) der Bild und den Julian (Hans) von der Süddeutschen.

 Dieses einseitige, schlichte und verfälschte Weltbild aber ist es, was Propagandisten wie Julian Hans die ideologische Grundlage bietet, die da besagt: die USA haben das gottgegebene Recht zur Herrschaft über die Welt. Sie bestimmen die Regeln und Grundsätze, wie ihre Vasallen sich zu verhalten haben, und die Sichtweise der USA ist die einzig zulässige. Nur so kann man zu Aussgen wie:
„Der Westen wartet und hofft, dass Moskau wieder zu den internationalen Regeln zurückkehrt, von denen Wladimir Putin sich mit der Annexion der Krim verabschiedet hat.“
Und nur so ist auch der nächste Satz, der als eine Anklage gedacht ist, zu verstehen:
„Putin möchte stattdessen die Regeln ändern und eine neue Ordnung durchsetzen.“
 Wenn es denn so wäre, so wäre das bei objektiver Betrachtung, ein durchaus legitimes Anrecht des Staatschefs eines unabhängigen Landes. Durch die Brille eines Julian Hans gesehen eine Unbotmässigkeit des Vasallen gegenüber dem Hegemon. Die Regeln bestimmt ausschliesslich der Hegemon, und nur der hat das Recht, diese je nach Bedarf seinen Interessen anzupassen.

 Und das tut der Westen unter der uneingeschränkten Führung der USA ständig. Beispiele dafür sind Legion. Ob es die angeblich zum Schutz der Bevölkerung in Libyen durchgesetzte Flugverbotszone war, die dann dazu genutzt wurde, einen ungeliebten und unbequemen Machthaber, Gaddafi, zu stürzen, ob es die völkerrechtswidrigen Kriege gegen Jugoslawien und den Irak waren, der Umsturz in der Ukraine mit dem Versuch der USA, die russische Schwarzmeerflotte aus Sewastopol zu vertreiben und den Marinestützpunkt selbst zu übernehmen, die das Land letztlich zu einem Protektorat der USA machten, die Unterstützung islamistischer Terroristen in Syrien, um das Land unter die Kontrolle der mit den Methoden des Mittelalters regierten Golfstaaten zu zwingen, oder die Umsturzbemühungen in Mittel- und Südamerika, mit zuletzt dem Putsch gegen die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff, der nur das vorläufige Ende einer Reihe weiterer unrechtmässigen Regierungswechsel z.B. in Honduras 2009 und in Paraguay 2012 ist, immer und überall handelt der Westen nicht im Sinne des Völker- oder Menschenrechts, sondern nach seinen eigenen, den angestrebten Zielen dienlichen Regeln.

 Russland - Putin - hat gegen die Regeln verstossen, indem es sich zur Wehr setzt und sich damit selbst zum Paria gemacht hat, wie in der westlichen Presse schon des öfteren kolportiert wurde, weil es seine eigenen Interessen verfolgt.

Die Regel, und es gab nur diese eine, in Syrien war klar und deutlich von den USA formuliert und wurde im Chor der Vasallen lautstark immer wieder wiederholt: "Assad muss weg!" Dabei war es den Protagonisten völlig schnurz, was aus den Menschen in Syrien werden sollte, wenn dort die Islamisten die Macht bekämen. Es ging und geht um Energie, besser gesagt um Erdgas und damit letztendlich um Macht und Einfluss in Europa und in Asien.

 Lassen wir den grossen Schachspieler Zbigniew Brzezinski, den Berater fast aller US-Präsidenten seit Jimmy Carter und mächtigen Strippenzieher zu Wort kommen. In seinem mittlerweile zum Standardwerk US-amerikanischer Aussen- und Kriegspolitik avancierten Buch "The Grand Chessboard" vertritt er die These, dass der Schlüssel zur Weltherrschaft die Herrschaft über die eurasische Landmasse sei.
"Eurasien ist der größte Kontinent der Erde und geopolitisch axial. Eine Macht, die Eurasien beherrscht, wurde über zwei der drei höchstentwickelten und wirtschaftlich produktivsten Regionen reichen. Ein Blick auf die Landkarte genügt, um zu erkennen, dass die Kontrolle über Eurasien fast automatisch die über Afrika nach sich zöge und damit die westliche Hemisphäre und Ozeanien gegenüber dem zentralen Kontinent der Erde geopolitisch in eine Randlage brächte.  Nahezu 75 Prozent der Weltbevölkerung leben in Eurasien, und in seinem Boden wie auch seinen Unternehmen steckt der größte Teil des materiellen Reichtums der Welt. Eurasien stellt 60 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts und ungefähr drei Viertel der weltweit bekannten Energievorkommen. ...Eurasien ist mithin das Schachbrett, auf dem der Kampf um globale Vorherrschaft auch in Zukunft ausgetragen wird."
Brzezinski fährt fort:
"Unmittelbar präsent ist die Macht der USA in der schmalen Zone an der westlichen Peripherie Eurasiens",
und:
"Sudlich von diesem großen zentraleurasischen Plateau liegt eine politisch anarchische, aber an Energievorräten reiche Region, die sowohl fur die europäischen als auch die ostasiatischen Staaten sehr wichtig werden könnte..."
Auch wenn Brzezinski hier in erster Linie den Iran meint mit seinem riesigen South-Pars-Erdgasfeld, so gehören auch die Erdgas- und Erdölproduzenten des Persischen Golfs zu den wichtigen Energielieferanten Europas. Und das westliche Europa hat eine entscheidende Bedeutung für das Bestreben der USA, Eurasien unter seine Herrschaft zu bringen:
"Schließlich könnte ein solches Europa sogar ein Eckpfeiler einer unter amerikanischer Schirmherrschaft stehenden größeren eurasischen Sicherheits- und Kooperationsstruktur werden. Vor allen Dingen aber ist Europa Amerikas unverzichtbarer geopolitischer Brückenkopf auf dem eurasischen Kontinent."
Hingegen sieht Brzezinski die Gefahr:
Würden schließlich die europäischen Partner Amerika von seinen Stützpunkten an der westlichen Peripherie vertreiben, wäre das gleichzeitig das Ende seiner Beteiligung am Spiel auf dem eurasischen Schachbrett..."
 Eine sichere Energieversorgung Europas ist daher unerlässlich. Russland ist der Hauptenergielieferant dieses energiehungrigen Europas, und dieses könnte, so befürchtet Brzezinski, durch Russland unter politischen Druck gesetzt werden. Eine Abhängigkeit, besonders beim Gas, die durch die Golfstaaten aufgelöst werden könnte.

 Syrien hat nun das Pech, zwischen den grössten Energielieferanten und einem der grössten Energieschlucker, Europa, zu liegen.

 Das Emirat Katar, das über die weltweit drittgrössten Erdgasvorräte verfügt, könnte als Lieferant einspringen. Allerdings ist die Verflüssigung des Gases und dessen Transport mit Schiffen durch den Persischen Golf und den Suezkanal nach Europa zumindest in absehbarer Zeit noch zu teuer, und in Europa fehlen ausserdem genügend Häfen mit Erdgasterminals.

 So unterbreitete das Königreich Katar gemeinsam mit der Türkei Syrien das Angebot, eine Erdgaspipeline durch Syrien bis in die Türkei zu verlegen, um diese dann an die geplante Nabucco-Pipeline anzuschliessen. Assad lehnte ab und verhandelte stattdessen mit dem Iran über eine Erdgaspipeline ans Mittelmeer. Damit hatte er sein eigenes Todesurteil gesprochen: "Assad muss weg!"

 Die "Wirtschaftswoche", gewiss kein Blatt, dass im Verdacht steht mit dem Kreml zu kooperieren, schreibt am 12. Dezember 2015:
"Nach Informationen der „Financial Times“ soll Katar allein in den zwei Jahren bis Mitte 2013 die Rebellen in Syrien mit rund drei Milliarden Dollar unterstützt haben. ...Katar, Saudi-Arabien und die Türkei begannen (man sollte noch hinzufügen, mit dem Segen der USA), den syrischen al-Qaida-Ableger Jabhat al-Nusra sowie die Kämpfer der Terrorgruppe ISIS zu finanzieren und mit Waffen auszustatten. Der Rest ist bekannt"
 Syrien, Assad steht dem, wie Brzezinski schreibt,
"expandierenden Einflussbereich des Westens (wo Amerika das Übergewicht hat)"
in Eurasien entgegen. Der nunmehr über fünf Jahre währende Krieg ist für Julian Hans kein Verstoss gegen die Menschlichkeit, sondern die Ahndung eines klaren Regelverstosses. Und so ist denn auch der Waffenstillstand, wenn er denn durchgesetzt wird, und die daraus entstehende Zusammenarbeit Russlands und der USA im Kampf gegen den IS, nicht zuerst ein Segen für die Menschen in Syrien. Er ist vielmehr, folgt man Hans, der perfide Versuch Russlands, sich als eine den USA gleichgestellte Grossmacht auf der Weltbühne zurückzumelden:
"Die Allianz mit den Amerikanern wäre so gesehen nicht Mittel zum Zweck (Kampf gegen islamistische Terroristen), sondern umgekehrt: Der Einsatz ist das Mittel, Putins Ziel aber ist die gleichberechtigte Partnerschaft der Großmächte, die das Schicksal dritter Staaten und Regionen unter sich ausmachen",
- also letzten Endes der Versuch Russlands sich ausserhalb der Regeln zu stellen, um seine Interessen unabhängig von den USA durchzusetzen.

 Aus diesem verquassten Blickwinkel ist dann auch der Kampf Russlands gegen die islamistischen Terroristen, bei deren Aufzählung von Propagandaschreibern wie Julian Hans, nur allzugerne die Kopfabschneider der al Nusra, oder Fatah-al-Scham-Front, wie sich diese neuerdings nennt, oder die Kämpfer der Ahrar al-Scham vergessen werden, nichts weiter als der Versuch, Assad an der Macht und so den Konflikt in einem Schwebezustand zu halten:
"Nach einem Abzug der Russen wären Assads Tage gezählt. Bleibt also, ihn an der Macht zu halten und einen Übergangsprozess einzuleiten, bei dem Moskau mitredet, aber nie allein verantwortlich ist dafür, dass nichts dabei herauskommt."




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