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Zwei fürchterliche Ereignisse in Syrien und ihre völlig unterschiedliche Gewichtung in der veröffentlichten Meinung

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 Im Osten Syriens ist es am Freitag zu einem schwerwiegenden Zwischenfall gekommen. US-amerikanische, dänische und australische Kampfjets haben in der Region Deir ez-Zor Einheiten der regulären syrischen Armee angegriffen und mindestens 60, andere Stimmen sprechen von bis zu 90 Soldaten getötet und über hundert verletzt.

 Die erste Erwähnung in der ARD erfuhr der Angriff in den Tagesthemen am Samstag. Unkorrekt und für eine Nachrichtensendung absolut indiskutabel wurde hinter Nachrichtensprecher Hofer nicht die korrekte Bezeichnung "Syrische Armee" eingeblendet, sondern als vielmehr war von einem "Luftangriff auf Assad-Truppen" die Rede, so als sei das Assads private Söldnertruppe.

Hauptsache diffamieren: Die reguläre Syrische Armee wird bei ARD-Aktuell zu einer privaten Söldnerarmee Assads

Die Meldung über den Zwischenfall, der die Welt an den Rand einer Auseinandersetzung zwischen zwei Atommächten brachte, war den Tagesthemen ganze 35 Sekunden wert, einschliesslich der Anmoderation von Anchorman Thomas Roth:
"Im Osten Syriens sind bei einem Luftangriff auf Stellungen der Regierungstruppen offenbar mehr als sechzig syrische Soldaten getötet worden. Mehr dazu in den Nachrichten jetzt mit Jan Hofer."
Die Nachricht die Hofer nun verlas, bestand aus vier dürren Sätzen:
"Die Armee und das russische Verteidigungsministerium machen die US-geführte Militärallianz für das Bombardement verantwortlich und verlangen eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates. Das US Militär erklärte, möglicherweise seien syrische Truppen beschossen worden. Der Luftangriff sei gestoppt worden. In der Region liefern sich IS-Terrormiliz und Regierungsarmee heftige Kämpfe."
 In dem Beitrag zuvor, der sich mit den Massenprotesten gegen CETA und TTIP befasste, hatten die Tagesthemen allein für Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der von der deutschen Wirtschaft bezahlten "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" 22 Sekunden ihrer wertvollen Sendezeit übrig, um darüber zu lamentieren, dass die deutsche Wirtschaft in der Vergangenheit zu wenig für Ceta und TTIP geworben habe.

Am Sonntagmittag dann hatte sich die Tagesschau voll der US-amerikanischen Sichtweise angeschlossen. Kirsten Gerhard durfte in der Sendung um 13.45 Uhr, 32 Sekunden lang ein paar dürftige Sätze verlesen:
"Der vermutlich irrtümlich durchgeführte Luftangriff der US-geführten Koalition auf syrische Regierungstruppen hat eine scharfe Auseinandersetzung zwischen den USA und Russland ausgelöst."
 Nicht viel besser erging es in der Sendung um 16.55 Uhr Tarek Youzbachi. Ganze 29 Sekunden hatte er Zeit, um seine Zuschauer über die Auseinandersetzung Russlands und der USA in der von Russland beantragten Sondersitzung des Weltsicherheitsrates der UN zu informieren:
"Die US-Seite betonte ihr Bedauern und sprach von einem Versehen."
 Der gleiche Beitrag wurde dann in der Hauptsendung der Tagesschau um 20.00 und den Tagesthemen wiederholt.

Kein Wort war den Manipulateuren von ARD-Aktuell die verbalen Ausfälle der US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Samantha Power wert, der angesichts von mindestens 60 toten syrischen Soldaten nichts besseres einfiel, als Russland übelst zu beschimpfen. Spiegel-online berichtete:
"Power, die wegen ihres Statements vor Journalisten laut Tschurkin (der russische Botschafter bei den Vereinten Nationen) einen Teil von dessen Kommentaren im höchsten Uno-Gremium verpasste, bezichtigte Russland der Effekthascherei. "Selbst nach russischen Standards ist der Stunt von heute Abend - ein Stunt voller Moralismus und Effekthascherei - auf einzigartige Weise zynisch und scheinheilig", sagte Power. Sie zeigte sich empört, dass Russland eine Dringlichkeitssitzung einberief, unzählige Angriffe auf die Bevölkerung durch das syrische Regime aber unbeantwortet gelassen hatte."
 Das ZDF hielt sich erst gar nicht mit der Formulierung eines eigenen Berichts auf und übernahm gleich die Sichtweise der US-amerikanischen Regierung in ihrem Wortlaut. Am seidenen Faden hänge die Waffenruhe in Syrien schon lange, aber:
"Nun erschwert ein bitterer Fehlschlag des US-Militärs den Weg zum Frieden noch mehr."
 Dieser Mühe unterzog sich auch die Süddeutsche nicht. Die hochbezahlten Qualitätsjournalisten des Blattes schrieben einfach nieder, was die Propagandaeinheit der US-Streitkräfte der Welt in die Notizblöcke diktierte:
"Das US-Zentralkommando verwies auf die 'komplexe' Situation in Syrien mit verschiedenen militärischen Kräften und Milizen in nächster Nähe zueinander. "Aber Koalitionskräfte würden keine syrische Einheit wissentlich und absichtlich angreifen."
 Dabei hätte ihnen ein einfacher Blick auf die Karte oder ins Internet gezeigt, dass die syrischen Regierungseinheiten bei Deir ez-Zor eine winzige Enklave in einem Gebiet, ausschliesslich beherrscht vom IS, bilden. Da ist nix mit "komplexe Situation in Syrien". Da gibt es keine, wie es immer so schön heisst "moderate Rebellen". Da sind nur der IS und die eingekreisten und auf Versorgung aus der Luft angewiesenen Einheiten der syrischen Armee.



 Und eben um diese Versorgung der syrischen Armeee-Einheiten aus der Luft scheint es auch gegangen zu sein. So schreibt "Die Presse" aus Österreich:
"Die Stellungen der Assad-Armee liegen im Umkreis des Militärflughafens der Stadt Deir ez-Zor im Osten, wo das Regime nur noch kleine Gebiete kontrolliert. Seit Wochen versuchen Jihadisten des IS, die Berge um den Flughafen zu erobern, um startende und landende syrische Militärjets unter Feuer nehmen zu können und so den Nachschub für die eingeschlossenen Armeeteile und Wohnviertel zu kappen."
 Eine winzige Enklave unter Kontrolle der syrischen Regierung inmitten eines riesigen Gebietes beherrscht vom IS, da fällt es schwer, an einen Irrtum des US-Militärs zu glauben. Es sei denn die USA hätten im Krieg in Syrien die Seiten gewechselt, unterstützten Assad im Kampf gegen die islamistischen Terroristen, und die neuen Verbündeten, die syrische Armee, sei in ein, in den USA seit Jahren beliebtes "Friendly Fire" geraten.

 Die USA und ihre Verbündeten verfügen über alle derzeitigen Möglichkeiten der Aufklärung - nicht zuletzt die  6 Aufklärungs-Tornados der Bundeswehr, die laut Ministerin von der Leyen, bis letzte Woche bisher rund 500 Flüge über Syrien absolviert haben. Da nimmt es um so mehr Wunder, dass die Jetpiloten nicht unterscheiden konnten zwischen IS-Terroristen und regulären Einheiten der syrischen Armee.

 Am Montag Abend erklärte Syrien die Waffenruhe, die eine Woche zuvor zwischen den USA und Russland ausgehandelt worden war, für beendet. Anlass war sicher der Angriff der USA auf die syrischen Truppen, aber auch Nachrichten darüber, dass US-amerikanische Spezialeinheiten zusammen mit türkischen gepanzerten Verbänden die Grenze zwischen der Türkei und Syrien überschritten hatten und die islamistischen Terroristen sich in  und um Aleppo neu zu formieren schienen und frische Kräfte heranführten.

 Die USA konnten oder wollten ihrer Verpflichtung, so wie es in den Waffenstillstandsvereinbarungen festgelegt worden war, eine Entflechtung zwischen islamistischen und gemässigten Kämpfern herbeizuführen, nicht nachkommen. So konnten aber auch keine Garantien für Hilfskonvois für die Bevölkerung von der syrischen Regierung und Russland übernommen werden, die wiederum lautstark von den USA gefordert wurden.

 Die USA weigerten sich sogar, die Vereinbarungen des Waffenstillstands der zwischen ihnen und Russland am 12. September ausgehandelt worden war, offen zu legen. N24 meldete noch am Freitag:
"Die für Freitag angesetzte Dringlichkeitssitzung (des UN-Sicherheitsrates) war abgesagt worden, weil dabei auch über die Vereinbarung zur Waffenruhe gesprochen werden sollte. Die USA fürchteten, mit der Offenlegung der detaillierten Vereinbarung die von ihnen unterstützten Rebellen in Syrien zu gefährden. Unter anderem hatte Frankreich darauf bestanden, über die Einzelheiten der Vereinbarung informiert zu werden, bevor eine Resolution dazu verabschiedet wird."
 Unmittelbar nach der Beendigung des Waffenstillstands wurden die Kampfhandlungen von beiden Seiten wieder aufgenommen. in den Abendstunden des Montags kam es dann zu der Zerstörung eines Hilfskonvois unter der Führung des UNHCR, der aber von verschiedenen Hilfsorganisationen unter anderem des Roten Halbmondes zusammengestellt worden war, in dem westlich von Aleppo gelegenen Ort Orem al-Kubra. 18 der 31 mit Hilfsgütern vollbeladenen Lastwagen wurden zerstört. 20 Menschen, zumeist Helfer und Fahrer der LKW kamen ums Leben.

 Wie und durch wen der Angriff ausgeführt wurde, ist bisher ungeklärt. Es sei ein Bombenangriff gewesen, wurde reflexartig behauptet. Allerdings sind dafür bisher keine Beweise geliefert worden, noch hat eine von einer unabhängigen Institution durchgeführte Untersuchung stattgefunden. Vor Ort  drehten die üblichen Verdächtigen, die White Helmets, eine vom Westen finanzierte Propagandaorganisation, dramatische Bilder von brennenden LKWs und behaupteten, Flugzeuge hätten den Konvoi bombadiert. Dabei war man sich allerdings nicht ganz einig. So waren es das eine Mal Kampfjets, die Bildzeitung weiss sogar genau,wessen Jets das waren und von welchem Typ:
"Der Angriff soll von zwei russischen Kampfjets des Typs SU-24 ausgeführt worden (sein). Wie die Nachrichtenagentur Reuters von zwei Insidern erfuhr, waren die Maschinen nach Angaben des US-Geheimdienstes genau zum Zeitpunkt der Bombardierung über dem Konvoi,"
die noch dazu zweimal angegriffen hatten, wie Paul-Anton Krüger in der Süddeutschen behauptete, so als sei er selbst dabeigewesen:
"Nachdem die ersten Angriffe 18 Lastwagen zerstört und etliche Helfer getötet hatten, folgte eine zweite Welle. Sie galt jenen, die den Opfern zur Hilfe eilten".
Ein anderes Mal waren es Hubschrauber der syrischen Armee, die Fassbomben abwarfen, wie der Spiegel wusste:
"Die Weißhelme, die zivilen Helfer in den von der syrischen Opposition beherrschten Gebieten, sprachen von vier Helikoptern, die mehrere Fassbomben auf die Fahrzeuge abgeworfen haben sollen".
Wieder andere berichten gar von einer Kombination aus Jets und Kampfhubschraubern, wie die Tagesschau einen unbekannten Mann sagen ließ:
"Die russische Luftwaffe und syrische Helikopter haben dieses Gebiet und den Konvoi der Vereinten Nationen heftig bombadiert und das hat zu enormen Zerstörungen geführt".
Zeuge der Tagesschau mit einem nicht zu identifizierendem Emblem auf der Brust

 Die Erklärung, die Zerstörung des Konvois sei aus der Luft erfolgt, liegt sicherlich nahe, ist aber bei weitem nicht die einzig wahrscheinliche. So schreibt Spiegel-online in einem kurzen Satz, der leicht überlesen werden kann:
"Andere Beobachter berichteten, dass Raketen am Tatort eingeschlagen seien". 
 Raketen müssen aber nicht zwingend von Flugzeugen aus abgeschossen werden. Aber die Erklärung, der Konvoi sei aus der Luft angegriffen worden, hat den grossen Vorteil, dass er automatisch impliziert, dass es Russland oder Syrien gewesen sein müssen, da die Terroristen ja über keine Flugzeuge verfügen.

 Tatsache ist, dass Verbände der ehemaligen al-Nusra-Front, jetzt Fatah-al-Scham-Front, am Montagabend einen Angriff mit Artillerie, Panzern, Mörsern und Mehrfachraketenwerfern auf Aleppo gestartet hatten. Der Angriff soll aus der Gegend von Khan Tuman gekommen sein. Khan Tuman ist ca. 10 km Luftlinie in nordöstlicher Richtung von Orem al-Kubra entfernt.

Links oben Orem al-Kubra, etwas recht von der Bildmitte Khan Tuman und links die ersten Vororte von Aleppo

 Möglich und denkbar sind in diesem Zusammenhang zwei Szenarien. 1. Kampfflugzeuge Russlands oder Syriens haben Angriffe auf die Stellungen der Fatah-al-Scham-Front geflogen und aus Versehen Orem al-Kubra getroffen, oder 2. die Fatah-al-Scham-Front hat kurz einmal die Raketenwerfer in die umgekehrte Richtung schiessen lassen.

 Sicherlich auch nur theoretische Überlegungen. Allerdings spricht gegen eine absichtliche Zerstörung des Konvois, dass die syrische Regierung die Fahrt der LKW mit den Hilfsgütern ausdrücklich genehmigt hatte. So berichten der Tagesspiegel  und die Neue Zürcher Zeitung noch am Montagmittag gleichlautend:
"Lastwagen mit Hilfsgütern seien auf dem Weg in die zentralsyrische Stadt Talbiseh und den nordsyrischen Ort Orem al-Kubra, sagte der Sprecher der UN-Nothilfeorganisation Ocha, David Swanson, am Montag."
 Warum sollte das syrische Militär oder Russland einen Hilfskonvoi zerstören und sich dem Vorwurf des Kriegsverbrechens aussetzen, wenn sie die Hilfslieferungen einfach hätten blockieren können, indem sie die Fahrzeuge nicht über die türkische Grenze gelassen hätten? Befand man sich doch nach dem Angriff der USA auf die syrische Armee in Deir ez-Zor am Freitag, mit über 60 getöteten syrischen Soldaten, propagandistisch in einer komfortabelen Lage.

 In die Defensive geraten waren die USA. Sie standen zwei Tage am internationalen Pranger. Der Angriff auf den Hilfskonvoi hat den Vorfall in Deir ez-Zor mit einem Schlag aus der Öffentlichkeit verdrängt.

 Hinzu kommt, dass für Dienstag eine Generaldebatte über den Krieg in Syrien in der Uno-Vollversammlung auf der Tagesordnung stand und ein Treffen der "Internationalen Syrien-Unterstützergruppe", in der sich 20 Staaten zusammengeschlossen haben.

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