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Afghanistan und die tägliche Dosis Desinformation durch die Tagesschau

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 Dr. Gniffke sah sich wohl genötigt ein Ereignis zu thematisieren, dass mit Sicherheit so ziemlich niemanden mehr interessiert, und das im Laufe der Jahre dramatisch an Nachrichtenwert verloren hat. Die Tagesschau widmete fast 2 Minuten ihrer wertvollen Sendezeit dem Abmarsch sowjetischer Truppen vor 30 Jahren, im Jahre 1989, aus Afghanistan.

 In einer Zeit, in der die Bevölkerung Haitis mit landesweiten Demonstrationen ums blanke Überleben kämpft, in der die USA das kleine aber rohstoffreiche Venezuela mit Sanktionen und der Androhung einer militärischen Invasion zu ihrem Vasallenstaat machen, in einer als Nahostkonferenz getarnten Versammlung von 60 Staaten unter der Führung der USA und Israel ein Krieg gegen den Iran vorbereitet wird, bringt die Tagesschau eine 30 Jahre alte Kamelle.

 Die, auf den ersten Blick, Widersinnigkeit bekommt sehr schnell Methode wenn man sich die Muße gibt und den Beitrag einmal genau, Wort für Wort und Bild für Bild, analysiert.

 Lauschen wir den Worten der Anmoderation des Filmbeitrages der Sprecherin Susanne Holst:
"Afghanistan ist ein seit Jahrzehnten geschundenens Land. Die Spuren sind überall zu sehen, wie hier in Kabul, Überreste alter sowjetischer Panzerfahrzeuge. Die Rote Armee war 1979 in das Land einmarschiert. Heute vor dreißig Jahren zogen sich die letzten Truppen nach einem verlustreichen Krieg zurück. In Russland, aber auch in Afghanistan wurde heute daran erinnert."
Russische Panzer, verrostet, zerstört, zeigt uns die Tagesschau. 18 Jahre sind Us-Amerikaner, Briten, Franzosen, Deutsche, Polen und viele mehr mit Panzern Hubschraubern und allem anderen Kriegsgerät in Afghanistan. Haben wir unsere trümmer alle so sauber weggeräumt, dass nicht übrig geblieben ist, das die Tagesschau uns zeigen könnte?
Screenshot Tagesschau

  Susanne Holst berichtet von einem Ereignis, dass jetzt bereits 40 Jahre zurückliegt und sie weist uns auf Spuren hin, die überall noch im Lande zu sehen seien, beispielhaft zeigt uns die Kamera scheinbar ausgebrannte vor sich hinrostende Panzerwracks, laut Aussage ein Bild "alter sowjetischer Panzerfahrzeuge" in Kabul. Die Erklärung, 1979 sei die Rote Armee in das Land, Afghanistan einmarschiert. Heute, gemeint ist der 15. Februar 1989, vor dreißig Jahren zogen sich die letzten Truppen der Sowjeta zurück.

 So weit, so gut - aber liebe Tagesschau, das sind laut Adam Riese gerade einmal 10 Jahre. Was geschah in den anderen 30 Jahren? Glauben wir der Tagesschau - nichts. Sie berichtet jedenfalls nicht von Ereignissen in diesen 30 Jahren. Das erinnert an die 12 Jahre von 1933 bis 1945, die in vielen deutschen Geschichtsbüchern, Firmengeschichten, Lebenserinnerungen und Vereinschroniken auf wundersame Weise verschwunden sind.

 Die Tagesschau scheint diese liebgewordene Tradition deutscher Geschichtsschreibung fortsetzen zu wollen. Denn der nun eingeblendete Beitrag von Peter Gerhardt von der Gedenkfeier der Afghanischen Regierung
"30 Jahre ist es her, dass die Sowjetunion ihre Soldaten abgezogen hat. Doch das Land ist seitdem nicht zur Ruhe gekommen. Regierungschef Abdullah Abdullah sagte in seiner Rede, dass Afghanische Soldaten heute gegen den Terror kämpften und dabei ihr Leben riskierten."
Also nichts ist gewesen, nichts ist passiert in den letzten 30 Jahren in Afghanistan. Zumindest die Tagesschau und Peter Gerhardt scheint nichts bekannt zu sein:
"Es war eine geschlagene Sowjetarmee, die 1989 Afghanistan verliess. Neun Jahre Krieg, besiegt von den Mujaheddin, die von den USA unterstützt wurden."
Nun ein Zeitsprung:
"Auf den zurückgebliebenen Trümmern spielen heute die Kinder."
Wie in einer Zeitmaschine - eben noch abrückende Sowjets auf ihren Panzern, nun im hier und jetzt des Jahres 2019 auf Trümmern sowjetischer Kriegsmaschinen arglos spielende Kinder. Dazwischen ? Nichts?

 Halt eine Kleinigkeit war dann doch wohl noch:
"Vielen Afghanen, wie hier in Kundus, ist nicht zum Feiern zumute. Die radikalislamischen Taliban drängen zurück an die Macht."
 Irgendwann in diesen vielen Jahren müssen die radikalislamischen Taliban an der Macht gewesen sein, denn sonst würden sie ja nicht an diese zu "zurückdrängen" Wie sie an die Macht gekommen sind, ob und wie sie wer vertrieben hat, oder ob sie wie viele Weltreiche vergangener Zeiten von selbst still und leise die Bühne der Weltgeschochte verlassen haben, wir erfahren es nicht.
"Das konnten auch die USA und ihre Verbündeten nicht verhindern, die jetzt schon seit achtzehn Jahren im Land sind."
 Irgendwann dann in dieser dunklen, mysteriösen Zeit zwischen 1989 und 2019, um genau zu sein, vor 18 Jahren, also 2001, sind dann die USA ins Land gekommen und haben ihre Verbündeten gleich mitgebracht. Auch wenn wir nicht erfahren wie und mit was die USA ins Land gekommen sind,  welche Verbündete sie mitgebracht haben und wieviele. Aber auch ihre von Edelmut geprägten Bemühungen die Rückkehr der bösen Taliban, der Terroristen, wie Abdullah Abdullah sie nennt, konnten auch sie nicht verhindern.

 Ganz so, wie 1939 der zweite Weltkrieg "ausbrach", wie es immer noch verharmlosend heißt, genauso sind die USA und ihre Verbündete im Land. Es gibt kein eingereist, kein eingeflogen oder gar wie die bösen Sowjets - einmarschiert. Nein die USA sind nicht gekommen, sie sind da, mitsamt ihren Verbündeten.

 Ein "Da Sein", dass wohl, dem aufmerksamen Zuschauer und natürlich auch der aufmerksamen Zuschauerin wird es nicht entgangen sein, laut einem vorherigen Beitrag über die Münchener Sicherheitskonferenz - ich finde immer noch den vormaligen Namen dieses elitären Zusammentreffens der Weltkriegstreiber, Wehrkundetagung, wesentlich treffender - nicht ganz frei von Konflikten zu sein scheint.

 Von einer Mission spricht die Autorin des Berichts aus München im Zusammenhang mit dem "Da Sein" der Bundeswehr in Afghanistan. Sie zitiert die zuständige Ministerin Von der Leyen, die von einer Verlängerung des Mandats der Bundeswehr für die "Afghanistan-Mission" um ein weiteres Jahr durch den Bundestag spricht.

 Was aber bedeutet eine Mission im Zusammenhang mit einem Mandat des deutschen Militärs auf dem Boden eines fremden Landes?

Für den Begriff Mission bietet uns der Duden vier Erklärungen an:
[mit einer Entsendung verbundener] Auftrag; Sendung[ins Ausland] entsandte Personengruppe mit besonderem Auftrag, diplomatische VertretungVerbreitung einer religiösen (besonders der christlichen) Lehre unter Andersgläubigen bzw. unter Nichtgläubigen
Für den Begriff Mandat sind ebenfalls derer viere:
Auftrag, etwas für jemanden auszuführen, jemanden in einer Angelegenheit juristisch zu vertretenAuftrag, den Abgeordnete durch eine Wahl erhalten habenauf einer Wahl beruhendes Amt eines Abgeordneten mit Sitz und Stimme im Parlament; Abgeordnetensitz(im Auftrag des früheren Völkerbundes) von einem fremden Staat in Treuhand verwaltetes Gebiet
 Was mag das Mandat des Deutschen Bundestages für den Einsatz der Bundeswehr sein? Zweifelsfrei handelt es sich um einen Auftrag des Parlaments an die Streitkräfte, dergestalt, dass Letztere eine Mission zu erfüllen haben, was wiederum ein anderes Wort für Auftrag darstellt.

 Man sieht schon an dieser sinnfreien Doppelung, dass es hauptsächlich darum geht, das eigentliche Tun der deutschen Soldaten in Afghanistan vor der gemeinen Bevölkerung zu verbergen. In früheren Zeiten hat man sich da noch etwas mehr Mühe gegeben. Damals hat man die wahre Tätigkeit der Bundeswehr mit mühsam erdachten Lügen zu verbergen versucht: Brunnen wolle man bohren und den afgahanischen Mädchen eine Schulbildung ermöglichen, indem man Schulen baue, so hieß es in den frühen zweitausender Jahren.

 Späterhin kam dann ein Vorgänger von der Leyens auf die gloreiche Idee, den Deutschen weismachen zu wollen, man verteidige am Hindukusch die Freiheit der bundesrepublikanischen Bürger. Eine Erklärung, die sich nicht wirklich durchgesetzt hat. Nur Spötter machen davon heute noch Gebrauch.

 Heute, im Jahre 18 des Kampfes gegen den Terror ist man klüger. Heute verzichtet sowohl die Politik, als auch die über sie berichtende Presse auf lästige Erklärungen. Die Bundeswehr in Afghanistan - eine gottgegebene Tatsache, basta. Den Rest überläßt man den Trollen und Putinfans.

 So kommt es denn auch, daß das zählen der Opfer des "Da Seins" von den Mainstreammedien gerne anderen überlassen bleibt.

Das "Costs of War" Projekt des "Watson Institut for International and Public Affairs" der Brown University in Providence, Rhode Island, USA schreibt bereits 2016 in seinem Bericht "Update on the Human Costs of War for Afghanistan and Pakistan, 2001 to mid-2016" von Neta C. Crawford:
"Nach fast fünfzehn Kriegsjahren beträgt die Gesamtzahl der Toten im Kriegsgebiet Afghanistan und Pakistan fast 173.000 Tote und mehr als 183.000 Schwerverletzte."
In dem Bericht "Human Cost of the Post-9/11 Wars: Lethality and the Need for Transparency" vom November 2018 macht die gleiche Autorin eine Rechnung der Todesopfer vom Oktober 2001 bis zum Oktober 2018 auf:

                                                                           Afghanistan      Pakistan

US-Militär                                                            2.401

Zivilisten US-Verteidigungsministerium                 6

US-Militärdienstleister                                       3.937                       90

Nationales Militär u. Polizei                             58.596                  8.832

Verbündete                                                          1.141

Zivilisten                                                            38.480                23.372

Gegnerische Kämpfer                                       42.100                32.490

Journalisten                                                              54                       63

Hilfsorganisationen                                                409                       95

Total                                                                  147.124                 65.942


17 Jahre bloßer Anwesenheit, will man der Tagesschau glauben, haben somit zu 213.066 Todesopfern geführt. Dazu kommen 20.431zum Teil schwer Verletzte Soldaten allein bei den US-Streitkräften. In 2017 waren 4,78 Millionen Menschen aus Afghanistan auf der Flucht, 2,61 Millionen Flüchtlinge, 1,84 Millionen Binnenflüchtlinge und 330.000 Asylsuchende.

 Die Tagesschau und DR. Gnifke wollen nicht, dass wir diese Zahlen erfahren, sie wollen nicht, dass wir über einen sinnlosen blutigen Krieg nachdenken, der nunmehr fast 18 Jahre andauert und bei dem wir keine Zuschauer sind, sondern Mitwirkende, Vertreibende, Tötende.

 18 Jahre sind unsere Soldaten daran beteiligt, dass ein kleines Land verwüstet wird. Ein Land, das der Bundesrepublik niemals den Krieg erklärt hat, das uns nicht einmal gedroht hat. Insofern ist es natürlich mehr als großer Blödsinn, wenn ein Bundesminister behauptet, die Bundeswehr verteidige unsere Freiheit am Hindukusch.

 Niemals haben die Taliban, im Gegensatz zu Al Quaida und IS anderen Ländern Gewalt angedroht. Nicht einmal an dem so gern als Kriegsgrund reklamierten Angriff auf die USA am 11. September 2001 war auch nur ein Afghane, geschweige denn ein Taliban beteiligt.





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